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Classic Trader Harley-Davidson FLHTU Ultraclassic Gespann- Musikdampfer


Dunkelblaue Harley-Davidson mit Beiwagen, ausgestattet mit hohen Windschutzscheiben und komfortablen Sitzen, geparkt vor einem Metallzaun.

Wenn bei einer Marke das Festhalten an Tradition den Erfolg über mehr als 100 Jahre garantiert, dann bei Harley-Davidson! Die archaisch wirkenden Bikes aus Milwaukee genießen weltweit Kultstatus. Ganz speziell waren die viele Jahrzehnte lang lieferbaren Gespanne von Harley-Davidson.

 

So auch das Ultra Classic FLHTU-Gespann in dieser Story. Amerikanischer geht es nicht. Ähnlich wie bei einem luxuriösen Auto von Lincoln oder Cadillac wird bei diesem Gespann nicht gegeizt. Weder mit den Maßen noch mit der Masse. Weder mit dem Hubraum noch mit dem Gewicht. Weder mit der Zahl der Ausstattungsfeatures noch mit dem technischen Aufwand. Das ein Vierteljahrhundert alte Gespann gehört zur Motorradsammlung des PS.SPEICHERS und ist dort nahezu täglich zu besichtigen.


Im bundesdeutschen Schnellverkehr wirkt so ein Dreirad trotz üppigem Hubraum und ausreichender PS ein wenig schwerfällig und unbeholfen. Wie ein großer, tapsiger und gemütlicher Bär erscheint dieses Motorradgespann. Um die Fahrt zu genießen, sollte die Besatzung Zeit mitbringen, schönes Wetter haben und leere Straßen befahren. Dann erschließt sich der Reiz dieser Fortbewegung. Der Hersteller aus der Bierbrauerstadt Milwaukee hat viel getan, um es der Besatzung bequem und gemütlich zu machen. Das heißt ein drehmomentstarker Motor, eine Bremsanlage mit drei Scheiben und ein stabiles Chassis samt jeder Menge Komfortextras verwöhnen den Fahrer und seine Passagiere. Verkleidung, Windschutzscheiben, Gepäckkoffer und eine wohltönende Stereoanlage samt Tempomat und viele anderen Dinge sollen den Genussfaktor erhöhen. Es geht hier nicht um profanen Transport. Um zum Ziel zu kommen, reicht ja notfalls ein Ticket für die Subway, den Greyhound Bus oder eben der Leasingvertrag für den Toyota Corolla. Es geht um das lässige Fahrerlebnis als solches.


Harley-Gespanne sind heute Bestandteil der Markentradition. Hier passt der Spruch: Tradition ist das Gegenteil von Rationalität, auch wenn sie aus dieser entspringt. Die Rationalität der frühen Gespanne lag darin, dass sich die utilitaristischen Harleys in den ländlichen Gegenden der USA in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg rasch verbreiteten. Nun konnte die ganze Familie Angelruten, Schießprügel und jede Menge Gepäck wunderbar befördern und die Sandwege des mittleren Westens konnten das Motorrad nicht zu Fall bringen. Auch Behörden nutzen Harley-Davidson-Gespanne, wobei das symmetrische Servi Car mit automobilem Hinterteil für viele Dienstleister noch praktischer schien.


Schaut man sich Fotos aus dem Westen der 1920er Jahre an sitzen meist fröhliche junge Leute auf einem Harley-Gespann. Gegenüber einem gebrauchten Ford T versprach so ein Gespann doch deutlich mehr Fahrdynamik und einfachere Wartung mitsamt der eventuellen Nutzung als flotte Solomaschine. Die alternierende Nutzung mit und ohne Seitenwagen war für Gespanne bis in die 1970er Jahre die Regel. Viele Motorradfahrer fuhren in den Familienurlaub oder im Winter mit Seitenwagen und sonst Solo.


Seitenansicht einer dunkelblauen Harley-Davidson Electra Glide mit großem Tourenkoffer und verchromtem Motor, abgestellt auf Asphalt.

Als genussvolle Zugpferde für den Seitenwagenbetrieb eigneten sich die großen Harleys gut. So beginnt die Geschichte der Ultra Classic eigentlich 1937. In den Dreißigern hatte der europäische Motorradbau den Fortschritt enorm beschleunigt. Gekapselte ohv-Ventiltriebe, fußgeschaltete Vierganggetriebe und Spitzengeschwindigkeiten von 140 km/h waren Stand der Technik bei den Halblitermodellen renommierter Hersteller. Dazu kam der Erzkonkurrent Indian aus dem eigenen Land, der 1934 mit der 1200er Chief eine ultimative, 40 PS starke Reisemaschine präsentiert hatte. Harleys Antwort auf die Mitbewerber kam 1936 mit der „E“. In typischer Harley-Konfiguration wies sie einen fahrtwindgekühlten V-2 mit 45 Grad Zylinderwinkel auf, besaß aber als erster V-Twin einen ohv-Ventiltrieb, der dem mächtigen Aggregat in der höher verdichteten „EL“-Version ebenfalls 40 PS entlockte. Nicht zuletzt das gut gestufte Vierganggetriebe machte die schlanke Maschine damit rasante 140 km/h schnell. Schon bald hatte das Motorrad einen Spitznamen weg: „Knucklehead“ (Knöchelkopf). Die polierten Kipphebelgehäuse erinnerten an die hervortretenden Knöchel einer geballten Faust. Trotz einiger Kinderkrankheiten wies das Top-Modell die Konkurrenz in die Schranken. Ab 1946 kam die Produktion wieder rasch in Gang. Zusätzlich zur 1000er (61 cui) „E“ wurde im gleichen Fahrwerk noch eine 1200er (74 cui) „F“ angeboten, die es auch als höher verdichtete „FL“ gab. 1948 löste man den Knucklehead durch den überarbeiteten „Panhead“ (Pfannenkopf) ab. Das neue Triebwerk basierte auf dem alten und besaß Leichtmetallzylinderköpfe und Hydrostößel (1948!). Die neuen Ventildeckel erweckten den Eindruck umgedrehter Bratpfannen, daher der Name. 1951 kam erstmals die Modellbezeichnung -Glide ins Spiel, wurde doch die FL 1951 doch mit einer hydraulisch gedämpften Telegabel anstelle der althergebrachten „Springer“-Kurzschwinge ausgerüstet, was ihr den Namen „Hydra-Glide“ und das Kürzel „FLH“ einbrachte. Die FLH gedieh 1958 mit zwei Federbeinen im Heck zur „Duo-Glide“. Erstmals hatte eine große Harley-Davidson Hinterradfederung!


Das massenhafte Auftreten der japanischen Hondas mit einem elektrischen Anlasser brachte Harley-Davidson in Zugzwang, diese Bedienungserleichterung auch bei der Monstersänfte „Duo-Glide“ anzubieten. So schuf man 1965 die legendäre „Electra-Glide“, die die Harley-Vertriebsleute gleich mit wesentlich höheren Verkaufszahlen als die Vorgängermodelle belohnte. Eine eindrucksvolle Erscheinung hatte die internationale Motorradbühne betreten. Die mehr als sieben Zentner fahrfertiges Gewicht konnten durch das „King of Highway“-Ausstattungspaket, das beispielsweise verchromte Nabenkappen, Packtaschen und eine Windschutzscheibe umfasste, weiter angehoben werden. Der Ausstattungskult war bereits vor dem Krieg in den Tourer-Clubs geboren worden. Aus „Dressern“ wie man optisch eindrucksvolle Tourenmaschinen nannte, machten die verspielten Amis gerne „Full  Dresser“ mit Zusatzscheinwerfern, Chromschmuck, Sturzbügeln und allem, was sich anschrauben ließ. Der beste „Full-Dresser“ wurde oft gekürt, so dass das Aufpeppen von H-D-Tourern zum einträglichen Geschäft für Zubehörhersteller wurde. Da Harley daran auch teilhaben wollte, ging man mit der entsprechenden Ausstattung gleich auf die Wünsche der Kundschaft ein und schuf einen barock-bombastischen Look, mit dem die Maschinen wirkten, wie aus dem Bühnenbild einer Wagneroper herausgerollt.


Mehr Gewicht und die Wünsche der Kunden ließ 1978 den Hubraum der FL-Reihe auf 80 cui auf insgesamt 1340 cm³ anschwellen. Das waren für kurze Zeit die sogenannten „Late Shovelhead“-Motoren, deren Ruf inzwischen eher durchwachsen war. Bis 1984 die „Evolution“-Motoren mit Robustheit und Lebensdauer alle Harley-Kritiker verstummen ließen. Aus dem 80 cui-„Evo“-Motor entstand 1998 der „EVO Twin Cam“ mit 88 cui, also knappen 1,5 Liter Hubraum. Und zwei Nockenwellen war er leiser und stärker und dabei in der Lage mit den neuen Emissionsvorschriften klarzukommen. Dieser Motor ist in diesem Gespann eingebaut. Dort hängt er in Gummi und stützenden Schubstangen, was üble Vibration von Mann und Maschine fernhält. Der 1998 vorgestellte Motor war nach wie vor nach klassischem Harley Kochrezept komponiert: 45 Grad Zylinderwinkel, Fahrtwindkühlung, Stoßstangenventiltrieb - mit Hydrostößeln -  und Pleuel mit elegant ineinander verschachtelten Füßen damit beide Zylinder in einer Flucht sitzen können. Das ist nicht nur schön und kompakt wie an einem Sternmotor, sondern verhindert auch einen Kippmoment um die Längsachse des Motors. Besonders gut zugänglich ist das Triebwerk in der Ultra Classic jedoch nicht. Zum Glück fallen an einer Harley im laufenden Betrieb wenige Wartungsjobs an. Nicht nur, dass der Zahnriemen zum Hinterrad nahezu wartungsfrei ist. Dank Hydrostößeln und der Tatsache, dass es nur einen Vergaser sowie eine elektronische Zündanlage gibt, steht außer gelegentlichen Öl- und Luftfilterwechseln nichts an. Beim Gespann dürften Reifenwechsel allerdings häufiger vorkommen. Auch dieses Harley-Gespann läuft ganz traditionell auf Motorradreifen, die mit ihrer runden Kontur im Gespannbetrieb schnell verschleißen, da sie ja ständig nur auf der Mitte des Pneus laufen.


Überhaupt war das Gespann trotz des modernen Motors ein Oldtimer ab Werk. Der Seitenwagenrahmen entsprach dem von 1939. Hydraulische Stoßdämpfer des Bootes gab es so wenig wie eine Seitenwagenschwinge. Stattdessen schwingt das aus Kunststoff (seit den AMF-Zeiten) gefertigte Boot in Blattfedern und schaukelt dabei puddingartig vor sich hin. Wenn schlechte Straßen befahren werden, rumpelt das Seitenwagenrad in die Löcher. Die mit dem Rahmen verschraubten Anschlüsse am Unterrahmen des Wagens sind zum Glück ein wenig nachgiebig ausgelegt, so dass üble Stöße von Schlaglöchern oder Gullideckeln am rechten Fahrbahnrand nur abgemildert bis in den breiten Lenker vordringen. Dort hat der Kapitän des Kreuzers sowieso alle Hände voll zu tun. Da die Lenkgeometrie mit rund 150 mm Nachlauf der Solomaschine entspricht sind für flotte Richtungswechsel Bärenkräfte nötig. Und in schnell gefahrenen Linkskurven stellt die Telegabel aufgrund der Verwindung auch mal ihre Arbeit ein und bremst mit einem quietschend hoppelnden Vorderreifen den Tatendrang. Doch wer sich berufen fühlt, drängelnden Vertreter-Dieseln irgendwas zu zeigen ist hier sowieso auf dem falschen Dampfer.


Besser ist es die Soundanlage anstelle des Gasgriffs aufzudrehen und entspannt Frank Sinatra, John Lee Hooker oder  Dolly Parton zu lauschen. Das kann auch der Seitenwagenpassagier regeln. Vielleicht hilft das Motorrad sogar gegen Managerkrankheit oder das Gefühl irgendetwas zu verpassen. Stattdessen zieht die Landschaft wie ein Roadmovie vorbei.


Aus europäischer Sicht ausgesprochen ungewöhnlich ist auch die massive Spurweite von ca. 1,25 m. Sportliche Gespannfahrer in Deutschland versuchten stets mit 10 bis 20 cm weniger auszukommen. Bei geringerer Spurweite macht sich der Rechtszug beim Beschleunigen und Gas geben weniger am Lenker bemerkbar; auch wird das Gespann agiler und windschnittiger. Bei der FLHTU spielt das alles keine Rolle.


Das Verschenken von Platz und Raum ist eben typisch amerikanisch. Man muss bedenken, dass auch im US-Alltag die Menschen mehr Platz zwischen sich lassen als Europäer oder gar Asiaten. Sowohl mit ihren Fahrzeugen auf der Straße als auch im Bereich des persönlichen Kontakts, in der U-Bahn oder an der Supermarktkasse. In der Bundesrepublik war das Harley-Gespann schon in den 70er Jahren nicht mehr lieferbar. Der Hauptmarkt für dieses Dreirad war die USA.


Manches ist eh anders in der Welt von H-D: So findet sich im deutschen Prospekt für 2002 keine Leistungsangabe für den 88 cui. Doch der deutsche TÜV kann Auskunft geben. Mit 67 PS schiffsdieselt eine Electra Glide Ultra Classic durchs Leben. Wie es um die Dynamik bestellt ist, kann man sich vorstellen, wenn man sich vor Augen hält, dass das leere Gespann 450 Kilogramm wiegt und knappe 700 Kilos wiegen darf. Bei 700 Kilo und weniger als 70 PS sind wir im Bereich japanischer Dreizylinder-Kleinwage. Nur das das Gespann noch mehr mit dem Luftwiderstand zu kämpfen hat als der Daihatsu-Mitsubishi. So sind Geschwindigkeiten über 120 km/h nur mit viel Anlauf realisierbar und schon gar kein Vergnügen. Und ein Vergnügen sollte der Trip doch sein. Packen Sie den Picknickkorb hinter die Rückenlehne und laden Sie ihren Partner oder ihre Partnerin ein. Probieren Sie so ein Gespann aus. Angesichts des Neupreises von einst sind Harleys in den USA gar nicht so teuer. Das Problem ist eher eines zu finden. Vielleicht kann Ihnen Classic Trader dabei helfen….


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Die Motorradsammlung im PS.SPEICHER zeigt über 800 Zweiräder aus mehr als 130 Jahren Technikgeschichte – darunter seltene Einzelstücke, Alltagsfahrzeuge und echte Legenden. Wer diese Sammlung entdecken möchte, kann sich jetzt ganz einfach online Tickets buchen: tickets.ps-speicher.de


Der Zugang zur Motorradsammlung erfolgt separat – alle Informationen zu Öffnungszeiten und Kombitickets findet ihr ebenfalls auf der Website.


 
 
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